29 Jun

Jahrestagung in Wolfenbüttel 2016

Inschrift an einem Gebäude in Wolfenbüttel

Vom 10. bis 12. Juni 2016 fand das 13. Wolfenbütteler Gespräch statt, die berühmte Jahrestagung der LiteraturübersetzerInnen.

In diesem Jahr bin ich zum ersten Mal dorthin gefahren und war sehr gespannt auf die vielgepriesene Atmosphäre
und den beglückenden Austausch, von dem ich schon so viel gehört hatte. Um es kurz zu machen, alles ist wahr, nichts übertrieben oder erlogen.

Ein Bericht von Anke Strunz

»ÜbersetzerInnen müssen übersetzen können.«

Kommisse Wolfenbüttel

Kommisse Wolfenbüttel

Dieses Zitat des 1. Vorsitzenden, Hinrich Schmidt-Henkel, bezieht sich nicht nur auf die nötige Kompetenz, um diesen Beruf auszuüben, sondern auch auf die finanziellen Rahmenbedingungen. Dass die Honorierung von Übersetzungen nicht gerade üppig, Vertragsanpassungen äußerst schwierig und Stipendien, Preise und Förderungen unabdingbar sind, ist bekannt. Was die knappen Einkünfte allerdings für die Verbandsarbeit bedeuten, machten die Vorschläge zur Neuordnung des Ehrenamtes und die Überlegungen bezüglich einer Beitragserhöhung deutlich. Wer sich engagiert, sollte keine finanziellen Einbußen haben. Ein Thema, das sicherlich nicht nur diesen Verband immer wieder beschäftigen wird.

Von Freunden und Komplizen

Die Unterstützung und Hilfe, die ÜbersetzerInnen erfahren, ist vielfältig.

Der ebenfalls ehrenamtlich tätige Freundeskreis zur Förderung literarischer und wissenschaftlicher Übersetzungen e.V. vergibt Stipendien und alle zwei Jahre den Helmut-M.-Braem- und den Christoph-Martin-Wieland-Übersetzerpreis, welche beide dotiert sind. In diesem Jahr wurden Frank Heibert und Ulrich Pröfrock ausgezeichnet.

Schünemann'sche Mühle

Schünemann’sche Mühle

Darüber hinaus hat der Freundeskreis zusammen mit dem VdÜ ein weiteres Problem in Angriff genommen: die fehlende Sichtbarkeit der ÜbersetzerInnen in bibliographischen Angaben, Rezensionen und Veranstaltungsankündigungen. Um das Bewusstsein für das Urheberrecht auch außerhalb der Branche zu schärfen, hat der Freundeskreis einen Knigge für den Umgang mit ÜbersetzerInnennamen entwickelt. Die Handreichungen können hier heruntergeladen und in die Welt getragen werden.

Als Komplize der ÜbersetzerInnen versteht sich der Verleger Sebastian Guggolz, Gastredner der Eröffnungsveranstaltung. Im Mittelpunkt seiner Tätigkeit stehen die Lust am Text und eine simple Schlussfolgerung. Wenn er Bücher lesen will, deren Ausgangssprache er nicht versteht und die in Deutschland noch nicht erschienen sind, muss er sie übersetzen lassen und publizieren. Mit den ÜbersetzerInnen taucht er tief in die Texte ein, verbündet sich mit ihnen und verlässt sich auf ihre Kompetenz. Auf der Frankfurter Buchmesse wird er dafür die Übersetzerbarke erhalten.

 VdÜ-Stadt Wolfenbüttel

 

Rathaus Wolfenbüttel

Rathaus Wolfenbüttel

Ganz Wolfenbüttel wird an diesem Wochenende von ÜbersetzerInnen und LektorInnen in Beschlag genommen, ja, ganz Wolfenbüttel. Angefangen bei den Hotels und Pensionen, den Gassen und Straßen, in denen man immer wieder Kolleginnen und Kollegen mit dem verräterischen Namensschild begegnet, bis hin zu den vielen geschichtsträchtigen Orten, an denen die Workshops, Lesungen und Festlichkeiten stattfinden: Schünemanns Mühle, die Kommisse, das Rathaus, das Schloss, die KuBa-Halle. Wer zur Jahrestagung nach Wolfenbüttel fährt, erlebt eine Stadt voller geselliger, literaturverrückter, sprachliebender Menschen, die das Beisammensein genießen und feiern. Tatsächlich habe ich anschließend mehrere Tage gebraucht, um mich wieder an die Einsamkeit meines Schreibtischs zu gewöhnen.

Nach der Tagung ist glücklicherweise vor der Tagung

Wegweiser in Wolfenbüttel

Wegweiser in Wolfenbüttel

Wie intensiv dieses Wochenende war, merke ich jetzt beim Schreiben dieses Beitrags, der kein Roman werden soll. Ich muss streichen: das gelungene Lesefest auf vier Bühnen zu den Themen Gier, Glück, Gewalt und Geld, die erhellenden Workshops »Textwerkstatt Nordische Sprachen« mit Regine Elsässer und »Von Lummerland bis Fucking Roadtrip« mit Andrea Kluitmann, die Preisverleihung und Party in der KuBa-Halle und das grandiose Gespräch von Lutz Seiler mit seinen Übersetzerinnen Dorota Stroińska und Aimée Delblanc über seinen Roman Kruso. Und, und, und.

Schön wars. Au revoir. Vi ses. Bis nächstes Jahr.


Dieser Text erschien ursprünglich auf dem Blog der BücherFrauen.

Alle Fotos (c) Anke Strunz 2016