20 Jahre MÜF – Die Festrede
Am 30. September 2016 feierte das Münchner Übersetzer-Forum im Literaturhaus mit zahlreichen Mitgliedern, Gästen und Freunden sein 20-jähriges Bestehen. Die Festrede hielt Hinrich Schmidt-Henkel, 1. Vorsitzender des VdÜ.
Festrede zum 20 jährigen Jubiläum des Münchner Übersetzerforums. 30.9.2016
Hinrich Schmidt-Henkel, 1. Vorsitzender VdÜ
Liebe Festgemeinde,
eigentlich könnte man denken, dass man so ein Jubiläum erst nach frühestens 25 Jahren begeht, oder vielleicht nach 50. Das Münchner Übersetzer-Forum feiert sich aber schon nach 20 Jahren, aha, und es wird gefeiert, samt offizieller Würdigung der Stadt München, das ist beeindruckend.
Wenn man als Außenstehender – Saupreiß, Berliner noch dazu – dann mal nachschaut, was das MÜF in diesen 20 Jahren getan, auf die Beine gestellt hat, dann wird schnell klar, dass es diese frühe Feier mehr als verdient.
Man hat es hier mit einer besonderen Gruppe von besonders kreativen Menschen zu tun, das wird schon beim vorbereitenden Mailverkehr sichtbar. Wie ihr wisst, haben Frank Heibert und ich Raymond Queneaus Stilübungen neu übersetzt, in denen der Autor die Sprache vielfach durchschüttelt. Wir waren ja hier im Juli damit zu Gast, auf Einladung des Münchner Übersetzer-Forums und des Literaturhauses. Einer der produktiven Schäden, die wir aus dieser Arbeit davongetragen haben, besteht darin, dass Defekte an der Sprache auf einmal wie gewollt und jedenfalls potentiell sinnhaft erscheinen. Das bringt mich zum diesen Abend vorbereitenden Mailverkehr zurück.
Heute ist ja bekanntlich Freitag. Durch einen Dreher wurde daraus in der Korrespondenz ein »Feirtag«. Trefflich! Das könnte von Queneau stammen, aus einer seiner Buchstabenverwürfelungsübungen. Damit nicht genug – auf der Tastatur liegen I und U beieinander, was den für heute ebenso sinnreichen und sinnstiftenden Verschreiber bewirkte: Statt Freitag – »Freutag«! Ja – dieser Freitag ist ebenso »Feirtag« und »Freutag«, denn der 20. des MÜF ist Anlass zur Freude und zum Feiern, und es ist mir eine Ehre und Freude, euch im Namen unseres Übersetzerverbandes VdÜ, des Verbandes deutschsprachiger Übersetzer literarischer und wissenschaftlicher Werke, der Bundessparte Übersetzer im VS in ver.di, Glückwünsche zu sagen und euch für eure Arbeit zu danken.
Übersetzerstammtische gibt es ja landauf, landab, das ist eine feine Sache, denn sie zeigt, dass wir Einzelarbeitende, Einzelunternehmerinnen, Einzelkämpfer uns zusammentun, um der Vereinzelung zu begegnen, Informationen auszutauschen, uns weiterzuhelfen und weiterzubringen, einander und damit auch die Zunft. Auch unser Verband lebt aus diesem Geist.
Das MÜF leistet unter anderem genau dies, aber es hat sich auf beeindruckende, begeisternde Weise darüber hinaus entwickelt. Wenn man sich allein die Vielzahl von Veranstaltungen ansieht, die ihr organisiert, von klassischen Lesungen bis hin zu inhaltlich hoch spezialisierten Seminaren, von Dingen, die sich eng an den beruflichen Notwendigkeiten unserer Tätigkeit orientieren, bis hin zu solchen, die das breite Publikum ansprechen, und das auf der gesamten Bandbreite von berufskundlichen Fakten bis zu verästelten ästhetischen Phänomenen, wenn man sich das alles ansieht, ist man voller Bewunderung und Freude. Zumal, wenn man eine gewisse Ahnung hat, was das an Kreativität, organisatorischer Findigkeit und Wendigkeit, an langem Atem und Beziehungspflege erfordert.
Die Gesamtheit eurer Aktivitäten schafft den Eindruck, dass hier lokal für den großen Münchner Raum etwas geschaffen und geschafft wird, das der Deutsche Übersetzerfonds landesweit anstrebt, nämlich eine Akademie der Übersetzungskunst. Mit diesem schönen, großen Wort, Akademie der Übersetzungskunst, ziert ihr euch zwar nicht selbst, aber ihr verwirklicht es, erfüllt es hier in München mit Inhalt und Leben.
Ich muss schon sagen, man wird als Nicht-Münchner verflucht neidisch auf das, was ihr hier aufgebaut habt. Und nicht nur für euch und für uns als Übersetzerzunft habt ihr das geschaffen, sondern auch für die Stadt München, der ihr ein substanzielles Stück Kultur- und Geistesleben beitragt. Wenn man allein die Vielzahl von Orten betrachtet, an denen eure Veranstaltungen stattfinden! Ganz besonders prominent ist darunter das Literaturhaus, das so häufig Gastgeber ist und sowieso der trefflichste Ort für so einen literarischen Haufen – vielen Dank, Tanja Graf, vielen Dank an Katrin Lange, Trägerin der Übersetzerbarke, und an alle anderen hier im Hause.
Mit seiner Aktivität verwirklicht das Münchner Übersetzer-Forum ein paar der Dinge, die für unsere Zunft existenziell wichtig sind. Einmal kümmert ihr euch um die Basis unseres Tuns: lebenslanges Lernen und Weiterbildung. Das ist sozusagen nach innen gerichtet. Und was wären wir, könnte unsere im Verborgenen geschehende Tätigkeit nicht von außen wahrgenommen werden: Auch um die Sichtbarkeit unserer Zunft und unserer Kunst macht ihr euch ganz außerordentlich verdient, und dafür verdient ihr allen Dank, den ein Berufsverband aussprechen kann.
Dieser Dank gilt allen, die sich heute oder früher für das MÜF engagiert haben, die es aus der Taufe hoben, entwickelten, lebendig machten und halten, Verantwortung übernehmen und die ganz sicher erhebliche Arbeit stemmen. Ihr seid großartig!
Für viele derer, die an der Arbeit des MÜF mitwirken oder die mal sporadisch, mal regelmäßig die Veranstaltungen besuchen, ist das MÜF eine wichtige Konstante im Jahreslauf, ja, „ein Stück Heimat“, so sagt eine Kollegin, dir mir zum heutigen Tag das Folgende schrieb, eine literarische kleine Liebeserklärung:
„Schon die knarzenden Stufen, die in den zweiten Stock zur Bibliothek des Münchner Literaturhauses oder in den dritten zu den anderen Veranstaltungsorten hinaufführen, bewältige ich regelmäßig mit Kolleginnen und Kollegen, die sich vorher am Eingang gefunden, bei einem Zigarettchen geplaudert haben und dann gemeinsam den Aufstieg wagen. Alte und Junge, erfahrene Hasen und gerade flügge gewordene Küken (meist vom Aufbaustudiengang Literaturübersetzen an der LMU) mischen sich hier wie auch beim allmonatlich stattfindenden Stammtisch des MÜF nahtlos, reibungslos, aber keineswegs schwunglos. Da tut sich was! Die Jungen fragen, die “Alten” tun sich nicht selten mit Antworten schwer und kommen ganz neu ins Überlegen. Das tut gut.
Es ist fantastisch, dass es das MÜF gibt und wie viel es seit 20 Jahren regelmäßig zehn Monate pro Jahr auf die Beine stellt, ganz ohne je so zu knarzen wie die Dielen des Münchner Literaturtreppenhauses.“ Soweit die Kollegin.
Ja, es ist fantastisch, dass es das MÜF gibt. Allein schon die sanft verhaltene Poesie dieser Abkürzung! Wir haben den Deutschen Übersetzerfonds, den DÜF, dessen Abkürzung fast nach einem kleinen Motörchen im Dienste der Übersetzer klingt, düfdüfdüfdüf. Auch VdÜ ließe sich in dieses Motorenbild einpassen, nur halt mit umgedrehter Lautung, vdü statt düf: düfdüfdüf – vdüvdüvdü: Das läuft und läuft und läuft.
Aber dann Müf – allein schon der heimelig warme, genussverheißende Anlaut, Mmmm. Schon ist von Motor und Mechanik keine Rede mehr, man denkt an Wärme, Geborgenheit, an Kakao oder Kamin, und wenn man vor gar nichts zurückscheut, taucht das Bild auf vom Säugling an der Mutterbrust. Nun bin ich nicht Nora Gomringer oder sonst ein Lautkünstler, aber eine winzig kleine Etüde in MÜF-Dur will ich zum Abschluss wagen:
Müf.
Müf?
Müf!
Mmmüf – mmmmmmüf! – mmmmmm//mmmmmmm//mmmmmmmmmm – üf.
Müf – müf – müf: Feirtag!
Müf – müf – müf: Freutag!
müf – müf – müf – müf – müf – müf – müf – müf – müf – ——
MÜF!!!
Herzlichen Glückwunsch!