20 Jahre MÜF – Feiern, was man liebt
Am 30. September, dem Tag des heiligen Hieronymus und dem Internationalen Übersetzertag, feierte das Münchner Übersetzer-Forum sein 20-jähriges Bestehen.
„ganz wunderbare Einrichtung“
Los ging es mit einem Sektempfang im Forum des Literaturhauses, der erste Gelegenheit bot, die versammelten Kolleginnen und Kollegen zu begrüßen und sich gegenseitig aufs Laufende zu bringen. Um 19 Uhr wurden die Besucher dann in den Saal gebeten, wo der Festakt beginnen sollte. Nachdem alle ihre Plätze eingenommen hatten, ergriff zunächst Literaturhauschefin Tanja Graf das Wort. Als ehemalige Lektorin und Verlegerin hatte sie schon lange vor ihrer aktuellen Position im Literaturhaus mit Übersetzern zu tun, und wie sie sagte, vermisst sie an ihrer früheren Tätigkeit am meisten das gemeinsame Ringen um Sätze, das ihr immer großen Spaß bereitet habe. Das nächste Grußwort kam von Anton Biebl, dem stellvertretenden Kulturreferenten der Landeshauptstadt München. Auch er gratulierte dem Münchner Übersetzer-Forum zum 20-jährigen Bestehen und würdigte die Übersetzer als „Brückenbauer der Literatur“ und das MÜF als wichtigen Partner der Kulturinstitute und als eine „ganz wunderbare Einrichtung“, der er die Unterstützung des Kulturreferats auf Jahre und Jahrzehnte zusagte.
138 Mitglieder nicht nur im Münchner Raum, sondern auch an so weit entfernten Orten wie Manchester, Rotterdam und Rom
Als dritte Grußrednerin kam die erste Vorsitzende des MÜF, Regina Rawlinson, zu Wort. Sie sagte, sie sei sprachlos angesichts der vielen Menschen, die zur Feier des Jubiläums gekommen seien. Dann erzählte sie, dass das Münchner Übersetzer-Forum 1996 mit 45 Mitgliedern gestartet sei. Zu seinem 10-jährigen Bestehen habe es eigentlich 89 Mitglieder gehabt. Um die 90 vollzumachen (und somit eine Verdoppelung der Mitgliederzahl zu erreichen), habe sie damals kurzerhand einer Kollegin die Mitgliedschaft geschenkt. Aktuell hat das MÜF 138 Mitglieder nicht nur im Münchner Raum, sondern auch an so weit entfernten Orten wie Manchester, Rotterdam und Rom. Dann dankte Regina Rawlinson verschiedenen Stellen und Institutionen für die Unterstützung des Münchner Übersetzer-Forums: dem Literaturhaus München, dem Kulturreferat der Landeshauptstadt München sowie dem Bayerischen Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst. Außerdem galt ihr Dank den Mitgliedern des Münchner Übersetzer-Forums, die das MÜF durch die Teilnahme an den Veranstaltungen und natürlich auch durch ihre Mitgliedsbeiträge unterstützen. Den Gründungsmüttern und -vätern, ohne deren Initiative das MÜF überhaupt nicht existieren würde, sowie den Vorstandsmitgliedern, die ihre Zeit in den Dienst der Sache stellen, sprach sie ihren besonderen Dank aus. Schließlich berichtete Regina Rawlinson noch, dass sich das MÜF zum Jubiläum selbst ein Geschenk gemacht habe: eine neue Website, weil die alte zwar einen gewissen „nostalgischen Charme“ besessen habe, aber einfach nicht mehr zeitgemäß gewesen sei.
„besondere Gruppe von besonders kreativen Menschen“
Auf die Grußworte folgte die Festrede des VdÜ-Vorsitzenden Hinrich Schmidt-Henkel. Darin würdigte er das MÜF als „besondere Gruppe von besonders kreativen Menschen“, die für den Münchner Raum eine „Akademie der Übersetzungskunst“ geschaffen habe, in der „lebenslanges Lernen und Weiterbildung“ ebenso gefördert würden wie „die Sichtbarkeit unserer Zunft und unserer Kunst“. Seine kurzweilige und sehr amüsante Rede, die man im vollen Wortlaut HIER nachlesen kann, beendete Schmidt-Henkel mit einer „Etüde in MÜF-Dur“ und seinen herzlichen Glückwünschen an das Münchner Übersetzer-Forum.
Sich in jeden seiner Texte ein bisschen verknallen
Nach einer musikalischen Einlage des Hot Club Dachau schloss sich der zweite Teil des Festaktes an, die Jubiläumslesung „Feiern, was man liebt“. Vier MÜF-Mitglieder berichteten davon, was ihnen das Münchner Übersetzer-Forum bedeutet, und lasen anschließend Auszüge aus ihren persönlichen „Herzensprojekten“ aus der eigenen Übersetzerwerkstatt. Zum Einstieg in die Lesungen erzählte die Moderatorin und zweite MÜF-Vorsitzende Tanja Handels, seit zehn Jahren im Vorstand des Münchner Übersetzer-Forums aktiv, dass das MÜF für sie Unterstützung in einer schwierigen Zeit gewesen sei
und sie vom Weggang aus München abgehalten habe – zum Glück, wie sie heute findet. Dann leitete sie mit einem Zitat von Ulrich Blumenbach, demzufolge man sich als Übersetzer in jeden seiner Texte ein bisschen verknallen müsse, zu den Herzensprojekten über.
Als Erste war Rosemarie Tietze an der Reihe, die als Gründungsmitglied zunächst davon erzählte, wie es überhaupt zur Einrichtung eines Münchner Übersetzer-Forums (damals noch unter dem Namen „Mutabor“) gekommen sei und welche Schwierigkeiten auf dem Weg zur Vereinsgründung zu meistern gewesen seien. Anschließend las sie aus ihrem Herzensprojekt Georgisches Album von Andrej Bitow den Text „Herbst in Agrigati“.
Als zweite Gesprächspartnerin von Tanja Handels folgte Christiane Buchner, die schon zahlreiche Workshops beim MÜF geleitet hat und der es ein großes Anliegen ist, das, was beim Übersetzen passiert, in Worte zu fassen und zu erklären. Ihr persönliches Herzensprojekt war Miriam Toews’ Die fliegenden Trautmans.
Als Dritte im Bunde folgte Elke Link, eines der zahlreichen MÜF-Mitglieder, die auch im Bundesverband VdÜ aktiv sind. Sie ist Vorstandsmitglied des VdÜ und organisiert die jährliche Übersetzertagung in Wolfenbüttel mit. Ihr Herzensprojekt war Charlotte Perkins Gilmans Die gelbe Tapete.
Als letzter Gesprächspartner von Tanja Handels und Vertreter der jüngeren MÜF-Generation kam noch Jan Schönherr zu Wort, der am MÜF vor allem „all diese wunderbaren Menschen“ schätzt, die dort aktiv sind. Sein Lieblingsprojekt Ein Papagei in Brooklyn von David Duchovny bildete einen amüsanten Abschluss der Gesprächs- und Leserunde und entließ die Besucher mit einem Lächeln auf den Lippen in den letzten Teil des Abends: den Umtrunk mit kleinen Häppchen und Musik vom Hot Club Dachau. Nun konnte noch einmal ausführlich mit Freunden und Kollegen geplaudert und mit dem einen oder anderen Gläschen auf das Jubiläum angestoßen werden.
Sicher spreche ich auch für die anderen Besucher der Jubiläumsfeier, wenn ich sage: Schön war’s – und auf geht’s in die nächsten zwanzig Jahre!
Annegret Scholz
Alle Fotos (c) Rudi Hermstein