04 Jan

„Übersetzer persönlich“: 4 Frauen und 2 ziemlich exotische Sprachen

Schöne Dezember-Tradition

Alle Jahre wieder werden im Rahmen der letzten MÜF-Veranstaltung des Jahres drei Mitglieder als Überraschungsgäste vorgestellt.

Moderatorin Regina Rawlinson begrüßte am 14. 12. 2017 die in der Bibliothek des Literaturhauses so zahlreich wie noch nie erschienenen Gäste (erstmals mit einem Mikrophon) und sorgte mit ihren ein- und überleitenden Worten wie gewohnt für ein heiter-entspanntes Gesprächsklima.

Von Essen über Lausanne mitten hinein in die Münchner Literaturszene: Sabine Herting

Gast No. 1 war die in Essen geborene Sabine Herting – Unterstützung aus dem Ruhrgebiet für Regina also – die berichtete, sie habe schon in der Kindheit stets viel gelesen und den Traum gehegt, später „irgendwas mit Büchern“ zu machen. Dem Abi an der Klosterschule folgte zunächst ein vierjähriger Aufenthalt in Lausanne, wo sie französische Sprache und Literatur studierte. Nach der Rückkehr aus der Schweiz ging es nach Bonn, wo sie dann Romanistik, Hispanistik und Germanistik studierte.

Mit dem Magister in der Tasche zog sie in die „Großstadt“ München, wo sie äußerst umtriebig und vielseitig beschäftigt war: So arbeitete sie unter anderem für die Villa Waldberta in Feldafing, engagierte sich im Kuratorium des Lyrikkabinetts und gab Französischnachhilfe. Nicht zuletzt dank ihrer Tätigkeit für die Literaturzeitschriften „Sirene“ und „Neue Sirene“ konnte sie wertvolle Kontakte zu Verlagen, Autoren und anderen Angehörigen des Literaturbetriebs knüpfen, was in ihren Augen das A und O ist, um im Bereich der literarischen Übersetzung den Fuß in die Tür zu bekommen. Am liebsten übersetze sie eigentlich nach wie vor aus dem Französischen, berichtete Sabine außerdem, wobei sie mittlerweile fast nur noch Angebote für Übersetzungen aus dem Englischen erhalte. Zum Abschluss erzählte sie von der denkwürdigen Begegnung mit Salman Rushdie, dessen Roman Golden House sie zuletzt ins Deutsche übersetzt hat.

Mitglied Nr. 150 und der Einzug des Chinesischen ins MÜF: Julia Buddeberg

Der zweite Gast, den Regina zu sich bat, war Julia Buddeberg, das 150. Mitglied des MÜF. Julia übersetzt als bisher einziges MÜF-Mitglied aus dem Chinesischen, was zwar sehr interessant, aufgrund der wenigen sprachlichen Überschneidungen aber auch eine sehr große Herausforderung ist, wie sie sagte.

Nach ihrem beruflichen Werdegang befragt, gab Julia an, das Interesse an asiatischer Kunst und Kultur sei durch ihren Vater geweckt worden. Sie hat zunächst in München Archäologie und Kunstgeschichte studiert, jedoch bald festgestellt, dass ihr das zu theoretisch war. Also begann sie „ohne Vorwissen über Land und Sprache“ ein Sinologiestudium – mit chinesischer Kunstgeschichte und Archäologie im Nebenfach. Die Entscheidung für Chinesisch war eher pragmatischer Natur, so Julia: „Zum einen war die Sprache damals gerade im Kommen, zum anderen wollte ich mich damit von der Masse abheben.“ Um ihre Sprachkenntnisse zu vertiefen, studierte sie auch zwei Semester in Peking und absolvierte später am SDI München, wo sie mittlerweile selbst als Dozentin tätig ist, zusätzlich eine Übersetzerausbildung (mit Englisch als Zweitsprache, die bei ihr zurzeit jedoch aus Zeitgründen nicht zum Einsatz kommt). Regina zeigte sich zutiefst beeindruckt von ihrer Bibliographie, hat Julia doch bereits Hunderte von – kurzen – Übersetzungen angefertigt. Es handelt sich dabei überwiegend um Feuilletonbeiträge und Zeitungsberichte aus China und Deutschland für das Goethe-Institut, wobei das Themenspektrum von Architektur und Stadtentwicklung über Film, Geschichte, Gesellschaft, Medien und Recht bis hin zu Sport und Umwelt reicht. Julias Lieblingsgebiet ist und bleibt jedoch die Kunst, obwohl gerade diese Texte oft sehr abstrakt und schwammig gehalten und deshalb schwer zu übersetzen seien, wie sie sagte, erst recht, wenn die Abbildung des entsprechenden Kunstwerks fehle …

Übersetzerin aus dem Englischen und Gutachterin fürs Georgische: Barbara Lehnerer

Auch Gast No. 3 war und ist ausgesprochen vielseitig interessiert und engagiert: Barbara Lehnerer unterrichtete nicht nur während ihres Studiums der Germanistik und Anglistik, sondern auch später im Rahmen diverser längerer Auslandsaufenthalte (u. a. in London und New York) an diversen Sprachschulen und arbeitete in Deutschland fünf Jahre als Lehrerin, ehe sie sich beruflich umorientierte. „Dabei kam mir der Zufall zu Hilfe“, erzählte sie. Während des Erziehungsjahres nach der Geburt der ersten Tochter erhielt sie ihre ersten Übersetzungsaufträge, darunter nebst einer Rohfassung für eine Synchronübersetzung („noch mithilfe eines Videorekorders!“) diverse Aufträge für das Reise- und Kulturressort der Vogue. Damit war ihr Interesse geweckt und der Grundstein für die übersetzerische Karriere gelegt.

Wie zahlreiche weitere MÜF-Mitglieder hat auch Barbara Lehnerer den Aufbaustudiengang Literarisches Übersetzen aus dem Englischen an der LMU absolviert und dort „viel gelernt“. Der Berufseinstieg gestaltete sich schwierig – als verwitwete alleinerziehende Mutter von zwei Kindern fiel es ihr schwer, die nötigen Kontakte zu knüpfen, zumal auch die Nachlassverwaltung ihres kurz zuvor verstorbenen Mannes Zeit und Energie kostete. Ihr erstes Projekt war dann eine Kooperation mit ihrem Kommilitonen Walter Ahlers. Barbara übersetzte zunächst Belletristik für Erwachsene, avancierte aber, nachdem sie selbst zwei Jugendbücher geschrieben hatte, zusehends zur Kinder- und Jugendbuchübersetzerin. Daneben betätigt sie sich heute unter anderem als Moderatorin bei Jugendbuchfestivals wie etwa dem White Ravens Festival, als Dolmetscherin bei Lesungen und als Leiterin von Workshops. Eine Reise nach Tiflis sowie der Besuch eines kleinen georgischen Standes auf der Kinder- und Jugendbuchmesse in Bologna führten dazu, dass sie zudem Gutachten für Übersetzungen vom Georgischen ins Deutsche erstellt – eine Aufgabe, für die sie „erst einmal recherchieren musste, wie das Georgische funktioniert, um eine Vorstellung von den Fehlerquellen zu bekommen“. Mit einem kurzen Einblick in den georgischen Literaturbetrieb, der noch in den Kinderschuhen steckt, schloss Barbara ihre Ausführungen.

Umtrunk und Büchertisch

Nach der Präsentation dieser drei hochinteressanten Biographien ließen wir den Abend bei Wein, Lebkuchen und Laugengebäck gemütlich ausklingen, bedienten uns weisungsgemäß am gut bestückten Büchertisch und traten schließlich heiter gestimmt und mit dem einen oder anderen Weihnachtsgeschenk ausgestattet den Heimweg an.

 

Ursula C. Sturm