„Let’s Play Ball!“ – Cricket und Baseball für Übersetzer*innen
Mehr Sport im neuen Jahr – das steht ganz weit oben auf der Liste der guten Vorsätze zum Jahreswechsel. Das MÜF hat diesen Vorsatz gleich zum Jahresauftakt in die Tat umgesetzt. Bei unserer Januar-Veranstaltung führten Regina Rawlinson und Jan Schönherr uns in die Geheimnisse zweier britischer respektive amerikanischer Sportarten ein, die in ihrem jeweiligen Land geradezu mythische Qualität haben: Cricket und Baseball.
Cricket – der Sport der Götter
Wer aus dem Englischen übersetzt, kennt sie nur zu gut: die Cricket-Vergleiche in britischen Romanen, die Baseball-Metaphern in amerikanischen. Zumindest in groben Zügen sollten Englischübersetzer*innen die Spielregeln und Begrifflichkeiten also schon beherrschen, denn irgendwann begegnen sie einem garantiert. Warum das so ist, wird schnell klar, als Regina Rawlinson, die mit Cricket den Anfang macht, Harold Pinter mit dem Satz zitiert: „I tend to think that Cricket is the greatest thing that God created on earth.“ Und J. M. Barrie, der Schöpfer von Peter Pan, bezeichnet Cricket gar als „the only game the Gods play themselves“. Diese große Verehrung für ihren Nationalsport haben die Briten an ihre einstigen Kolonien weitergegeben: Bis heute gehören Indien, Bangladesch, die West Indies, Australien etc. neben England zu den besten Mannschaften der Welt und damit zu den einzigen, die sogenannte „test matches“ miteinander austragen dürfen, die Länderspiele der Besten („normale“ Länderspiele zwischen weniger hochplatzierten Cricket-Nationen – Deutschland beispielsweise ist auf Platz 42 der Weltrangliste – heißen „One Day Internationals“ bzw. „ODIs“).
Von Batsmen, Wickets und Bowlern
Die Regeln sind dann doch nicht ganz so einfach, wie das britische Geschirrtuch, das Regina uns als amüsantes Anschauungsmaterial mitgebracht hat, suggerieren mag, aber auch nicht ganz so geheimnisvoll, wie es uns Laien anfangs vorkommt. Gespielt wird die nach Fußball zweitbeliebteste Sportart der Welt mit zwei Mannschaften à elf Spielern oder Spielerinnen auf Rasen und mit einem Ball. Hier enden die Parallelen zum deutschen Nationalsport aber auch schon. Auf dem ovalen Spielfeld sind in der Mitte zwei Wickets aufgebaut, die gern als „Tore“ übersetzt werden, was aber nicht ganz den Kern trifft, denn es geht nicht darum, den Ball hineinzuwerfen, sondern gleich das ganze Wicket umzuschmeißen, zu „zerstören“, wie das im Cricket-Jargon heißt. Ein Spiel besteht in der Regel aus zwei oder vier Innings (grob: „Spieldurchgängen“). Die beiden Mannschaften fungieren pro Innings (ja, beim Cricket heißt das auch im Singular so) im Wechsel als Schlag- oder als Feldmannschaft. Die Feldmannschaft stellt den Bowler, der das gegnerische Wicket zerstören soll, die Schlagmannschaft stellt den Batsman, der den Ball wegzuschlagen und dabei Punkte (Runs) zu erzielen versucht. Ein Run ist erzielt, wenn beide Batsmen (Striker und Non-Striker, die einander gegenüber stehen) mit einem Körperteil wieder in ihrer sicheren Zone sind, bevor der Ball gefangen wird, wobei interessanterweise auch der (festgehaltene) Schläger als Körperteil zählt. Unterläuft dem Striker ein Fehler – wird also das Wicket vom Bowler zerstört („bowled out“) oder erreicht er die sichere Zone nicht rechtzeitig („run out“), aber auch, wenn beispielsweise der Ball das Wicket getroffen hätte, wenn der Striker nicht mit seinen Beinschonern im Weg gewesen wäre (LBW: „leg before wicket“) –, scheidet er aus, und ein weiterer Spieler der Schlagmannschaft nimmt seinen Platz ein. Hat die Schlagmannschaft neun ihrer Spieler „verbraucht“, beziehungsweise sind neun Wickets zerstört worden ist das Innings zu Ende. Die Mannschaft, die in einem Spiel insgesamt die meisten Punkte erzielt hat, gewinnt.
Pausen als essentieller Spiel-Bestandteil
Interessant – und very British – ist auch die Pausenpolitik beim Cricket: Ein Innings kann sich durchaus über etliche Stunden hinziehen, und so sind bei den Spielen je eine 40-minütige Mittags- und eine 15-minütige Teepause eingeplant (sowie fünfminütige Erfrischungspausen nach Bedarf). Zeitliche Begrenzungen kennt der Sport nicht: Manche Länderspiele können bis zu fünf Tagen dauern.
Baseball – „America’s National Pastime“
Nachdem wir das mitgebrachte Anschauungsmaterial bewundert haben – ein Schlagholz (so heißt der Schläger beim Cricket), ein Wicket sowie einen Ball –, übernimmt Jan Schönherr und stellt uns „America’s National Pastime“ vor: Baseball. Dem Gründungsmythos zufolge wurde der Sport von einem späteren Bürgerkriegshelden im idyllischen Cooperstown erfunden, was aber gar nicht stimmt: Die Regeln wurden erstmals 1845 in New York City formuliert. Allerdings bezeugt dieser Mythos das Element der Nostalgie, das dem Baseball quasi von Anfang an innewohnt und auch für dieses Spiel erklärt, warum es in der amerikanischen Belletristik ein so omnipräsenter Bezugspunkt und eine so reiche Metaphernquelle ist.
Mannschaftssport …
Jan erklärt uns zunächst die Besonderheiten des Spiels, das durchaus einige Ähnlichkeit mit dem britischen Cricket aufweist: Es ist ein Hybrid aus Mannschaftsspiel (zwei Mannschaften à neun Spieler) und Zweikampf zwischen Pitcher und Hitter. Ähnlich wie beim Cricket spielt auch hier die Zeit keine Rolle. Und: Baseball wird (bisher) tatsächlich nur von Männern gespielt – die Variante für Frauen heißt Softball.
Das Spielfeld besteht aus dem sogenannten Fairground, der sich wiederum aus Outfield und Infield zusammensetzt. In der Mitte des Infield befindet sich der Diamond mit den vier Bases, in der Mitte des Diamond wiederum der Pitcher’s Mound, ein kleiner Hügel, auf dem der Pitcher steht. Von den beiden Mannschaften ist die verteidigende Mannschaft vollzählig auf dem Feld, während von der angreifenden immer nur ein Hitter und bis zu drei Runners im Spiel sind. Gespielt werden in aller Regel neun Innings (hier heißt der Singular im Gegensatz zum Cricket übrigens „Inning“), allerdings muss dann ein Sieger feststehen, andernfalls geht es weiter. Auch beim Baseball versucht die angreifende Mannschaft Punkte in Form von Runs zu erzielen; ein Run ist erreicht, wenn ein Runner die Bases einmal umrundet und seine Homeplate wieder sicher erreicht hat. Im Gegenzug versucht die verteidigende Mannschaft, den Ball an sich zu bringen. Anders als beim Cricket läuft der Hitter beim Baseball nicht mit Schläger von Base zu Base. Den lässt er vorher fallen: Er wird also quasi vom Hitter zum Runner. Ist ein Runner losgelaufen, kommt ein neuer Hitter aufs Feld; auf jeder Base darf aber immer nur ein Runner stehen. Als „Homerun“ bezeichnet man einen Run, bei dem der Hitter/Runner alle vier Bases umrundet hat, bevor die verteidigende Mannschaft die Ballkontrolle erlangt. Die verteidigende Mannschaft ihrerseits will drei Outs erzielen, um dann selbst angreifen zu dürfen. Ein Out tritt beispielsweise ein, wenn der Hitter drei Mal danebenschlägt (was gar nicht so unwahrscheinlich ist: Mit einem Baseballschläger ist der doch recht kleine Ball deutlich schwieriger zu treffen als mit einem Cricket-Schlagholz) oder der geschlagene Ball aus der Luft gefangen wird. Es gibt aber auch noch ein paar Spezialtricks, mit denen sich Outs erzielen lassen, beispielsweise, wenn ein Runner zwischen zwei Bases mit dem Ball berührt wird, ein gegnerischer Baseman den Ball also im Handschuh versteckt, den alle Spieler der verteidigenden Mannschaft tragen, und den Runner mit diesem Handschuh touchiert, oder eine der Bases, die der Runner ansteuert, „verbrannt“ wird (dazu tritt der dieser Base zugeordnete Baseman, wiederum mit dem Ball im Handschuh, kurz darauf).
… und Zweikampf
Das „Herz“ des Spiels ist und bleibt laut Jan aber der Zweikampf zwischen Pitcher und Hitter, der aus Sicht des Pitchers durch die sogenannte „Strike Zone“ eine große Relevanz bekommt. Ein Pitcher muss sehr gezielt und genau werfen (zu den verschiedenen Wurftechniken zählen Fastballs, Curves etc.), denn landet sein Ball außerhalb der Strike Zone, die sich grob zwischen Schulter und Knie des Hitters befindet, ist das ein „Ball“; wirft der Pitcher vier Balls in Folge, darf der Hitter gleich weiter auf die erste Base (was dann als „Walk“ bezeichnet wird). Schlägt der Hitter wiederum drei „Strikes“, also drei Mal daneben, muss er ausscheiden.
Auch Jan, der selbst Baseball spielt, hat Anschauungsmaterial in Gestalt von Ball, Schläger und Handschuh mitgebracht. Vor allem Letzterer ist noch einmal ein schönes Beispiel für die dem Baseball eingeschriebene Nostalgie: Er ist nämlich ganz bewusst auf „alt“ gemacht.
Tanja Handels