Blick über den übersetzerischen Tellerrand: Katalanisch mit Michael Ebmeyer
In der losen MÜF-Reihe „Literatur ohne Grenzen – Sprachen der Welt“ ging es dieses Mal um das Katalanische, ebenso informativ wie unterhaltsam vorgestellt von dem Autor, Übersetzer und Katalonien-Kenner Michael Ebmeyer.
Ausgangspunkt war der Konflikt zwischen Katalonien und Spanien, der seit einiger Zeit wieder mit großer Heftigkeit tobt – der Grad variierte immer wieder einmal im Lauf der Jahrhunderte, die die Auseinandersetzung bereits währt. Einen Höhepunkt erreichte sie im Jahr 1714, als Aragon – sozusagen der Vorläufer Kataloniens – Kastilien einverleibt wurde und damit seine Eigenständigkeit verlor. Seitdem schwelt der Gedanke an Unabhängigkeit in der Provinz mal stärker, mal schwächer, abhängig auch vom Grad der Unterdrückung, die Madrid jeweils ausübte.
Blütezeit des Katalanischen und Konflikte um die Zweisprachigkeit
Die Blütezeit der katalanischen Sprache war 1714 allerdings bereits vorbei. Sie hatte im Hoch- und Spätmittelalter bestanden, nicht nur, weil Aragon zu der Zeit seine größte Ausdehnung hatte und u.a. auch Sardinien, Süditalien und Sizilien zu seinem Herrschaftsbereich gehörten, sondern weil das Katalanische als Sprache der Troubadoure, als Kultur- und Literatursprache der Iberischen Halbinsel galt. Glanz verlieh ihr in der Zeit insbesondere der Philosoph und Schriftsteller Ramón Llull (1235-1315), der wiederum als Vorbild für den Ritterroman Tirant Lo Blanc von Joanot Martorell diente, der wichtigsten Referenz für Cervantes‘ Don Quijote. Zudem war das Katalanische – das eine enge Verwandtschaft mit dem Okzitanischen aufweist – auch die Handels- und Rechtssprache, war Aragon doch ein wichtiger Umschlagplatz am Übergang zu Frankreich.
Das erklärt, weshalb die Sprache im Zentrum des katalanischen Selbstbewusstseins steht und weshalb alle Versuche, sie zu verbieten und Kastilisch als einzig legitime spanische Sprache durchzusetzen – wie es nach 1714 der Fall war und erneut während der Franco-Diktatur –, letztlich scheiterten. Heute sprechen rund elf Millionen Menschen Katalanisch, nicht nur in Katalonien, sondern auch auf den Balearen, in Andorra, in einer Ecke Südfrankreichs („Nordkatalonien“) und tatsächlich auch in der Gemeinde Alghero auf Sardinien.
Literarischer Reichtum und Förderung – und persönliche Empfehlungen
Für die Zahl der Katalanisch-Sprecher erscheinen jährlich verblüffend viele Bücher auf Katalanisch – gut 11.000 waren es 2015. Oder vielleicht doch nicht so verblüffend, schließlich fördert das Institut Ramon Llull großzügig viele katalanische Kulturprojekte, nicht zuletzt Übersetzungen katalanischer Literatur: So wurden 2017 sage und schreibe 72 Prozent aller beantragten Gelder zur Übersetzungsförderung genehmigt.
Eine wunderbare Hörprobe des weich im Ohr klingenden Katalanischen bekamen wir auch geboten – Michael Ebmeyer las einen Abschnitt aus Jordi Puntís Roman Maletes perdudes (2010) vor, und dann, zum besseren Verständnis, aus seiner deutschen Übersetzung Die irren Fahrten des Gabriel Delacruz (2013). Wobei Puntí, ganz wie im realen Leben, kastilische Sätze und Abschnitte unter seine grundsätzlich katalanische Erzählung streut. Wie das zu übersetzen ist, inwieweit Zweisprachigkeit überhaupt geboten ist in einer zweisprachigen Region, oder auch wünschenswert – da konnte sich eine muntere Diskussion entfalten.
Zuvor jedoch legte Michael Ebmayer uns allen noch einige aus dem Katalanischen übersetzte Bücher ans Herz, die insbesondere die lyrische Qualität der Sprache vor Augen führen (die sich natürlich auch in den empfohlenen Übersetzungen spiegelt): Auf der Plaça del Diamant von Marcè Rodoreda (dt. von Hans Weiss), Flüchtiger Glanz von Joan Sales (dt. von Kirsten Brandt), aber auch auf Maríe Barbal verwies er, auf Miquel Martí i Pol und und und – wie es eben geht, wenn jemand ein Herzensthema mit Leidenschaft vorträgt. Danke dafür!
Ursula Wulfekamp