Übersetzer lesen Krimis
Gut besucht und spannend war die Lesung dreier Übersetzer in der Münchner Krimibuchhandlung Glatteis.
Ein Bericht von Annegret Scholz
Dass ich gern zu Autorenlesungen gehe, dürfte regelmäßigen Besuchern meines Blogs nicht entgangen sein. Am vergangenen Freitag war ich auch wieder auf einer Lesung, doch diesmal haben nicht Autoren, sondern Übersetzer aus ihren Werken gelesen. In der Krimi-Buchhandlung glatteis in München stellten unter dem Titel „Übersetzer lesen Krimis“ Jan Schönherr, Andrea O’Brien und Alexandra Baisch jeweils einen von ihnen übersetzten Krimi vor und beantworteten danach noch eine Menge Fragen rund um das Thema Übersetzen. Organisiert wurde die Veranstaltung von den Münchner Bücherfrauen.
Den Anfang beim Lesen machte Jan Schönherr, der den bereits vor einem Jahr erschienenen Roman Angel Baby von Richard Lange vorstellte. Hier die Inhaltsangabe:
„Im Leben von Luz ist einiges schiefgelaufen: Sie hat ihre kleine Tochter in Los Angeles zurückgelassen, um in Tijuana einen mächtigen Drogenboss zu heiraten. Seither lebt sie wie eine Gefangene in Rolandos bizarrer Villa und ist seiner Willkür ausgeliefert. Doch heute ist der Tag, an dem Luz ihre Fehler wiedergutmachen wird. Sie schießt ihre Bewacher nieder, räumt den Tresor leer und flieht in Richtung Grenze. Alles oder nichts. Das Schicksal wird entscheiden, ob sie ihre Tochter findet oder beim Versuch draufgeht.“ (Quelle: Random House).
Marcus Müntefering schrieb über den Roman auf Spiegel Online, dass die Sprache „mal wie ein Country Song, bitter-süß und sehnsuchtsverweht, mal wie Hardcorepunk, rasend schnell und knallhart“ sei (Quelle: Random House). Gerade den speziellen Ton des Buches zu treffen, empfand Jan Schönherr bei seiner Arbeit an dem Roman als besondere Herausforderung. Besonders gefallen hat ihm, dass die Figuren nicht schwarz-weiß sind und man selbst für die zwielichtigen Figuren Interesse und Sympathie entwickelt.
Dann folgte Andrea O’Briens Lesung aus Benjamin Blacks Tod im Sommer. Nach der eher deftigen Sprache in Angel Baby schlug der Roman von Benjamin Black alias John Banville recht ruhige Töne an. Kein Wunder, das Setting ist ja auch deutlich anders:
„Ein atmosphärisch dichter Krimi aus dem Dublin der 50er-Jahre: Der sagenhaft reiche Zeitungsverleger Richard Jewell wird tot mit einer Schrotflinte in seinen blutigen Händen am Schreibtisch aufgefunden. Hat er sich selbst erschossen, oder war es Mord? Und was haben das Waisenhaus, in dem er oft verkehrte, und die mysteriösen Gönner damit zu tun? Inspector Hackett und Quirke ermitteln.“ (Quelle: Kiepenheuer & Witsch)
Für Andrea O’Brien stellten bei ihrer Arbeit an dem Roman vor allem die Sprachbilder eine besondere Herausforderung dar. Hier muss immer entschieden werden, wie nah am Original man bei der Übertragung eines Sprachbildes bleiben kann bzw. welche deutsche Entsprechung beim deutschen Leser dieselbe Wirkung wie das Original beim englischen Leser entfaltet. Da das Buch in dem 50er-Jahren spielt, war auch die Wahl des zeitlich passenden Vokabulars ein wichtiger Faktor beim Übersetzen.
Als Dritte im Bunde las schließlich noch Alexandra Baisch aus Kap der Lügen von Michèle Rowe, dem Debütroman der südafrikanischen Autorin. Hier die Inhaltsangabe von der Verlagsseite:
„Das Revier von Detective Persephone ‚Persy‘ Jonas, einer Schwarzen, die sich nach oben gearbeitet hat, ist ein hartes Pflaster. Sie ermittelt auf den Straßen der Noordhoek-Township südlich von Kapstadt, in der sie selbst aufgewachsen ist. Als die Leiche eines Lehrers am Strand angespült wird, gerät sie in einen Fall, der tief in ihr früheres Leben reicht …“ (Quelle: Droemer Knaur).
Bei ihrer Arbeit an dem Roman musste sich Alexandra Baisch zunächst intensiv in das Setting einarbeiten. Das machten neben der Handlung und den Landschaftsbeschreibungen auch die Verwendung von Begriffen aus dem Afrikaans notwendig. Um das Lokalkolorit des Romans zu erhalten, verblieben diese Begriffe im Text, für den deutschen Leser wurde aber ein kleines Glossar ans Ende des Buches gestellt. Auch die Vielzahl von Figuren war eine Herausforderung. Da blieb der Übersetzerin nur, sich eine genaue Aufstellung der Figuren und ihrer Beziehungen zueinander zu erstellen.
Den Besuchern von „Übersetzer lesen Krimis“ wurden mit Angel Baby, Tod im Sommer und Kap der Lügen drei interessante und ganz unterschiedliche Kriminalromane vorgestellt. Mich persönlich hat spontan Kap der Lügen am meisten angesprochen – was vielleicht auch mit daran lag, dass die Buchhändlerin von dem Roman ganz besonders geschwärmt hat. Man merkte richtig, dass ihr dieses Buch sehr am Herzen lag.
Das Gespräch über das literarische Übersetzen im Anschluss an die Lesungen fand ich auch sehr interessant. Es ging vor allem darum, wie das Übersetzen so abläuft, wie sich die Zusammenarbeit mit dem Verlag gestaltet, wie man an das Übersetzen eines Textes herangeht etc. Schnell wurde deutlich, dass jeder Übersetzer seine eigenen Arbeitsmethoden hat und dass jedes Buch ganz spezielle Anforderungen an die Übersetzerin/den Übersetzer stellt.
Mir hat die gut zweistündige Veranstaltung sehr viel Spaß gemacht. Die Mischung aus Lesungen und Gespräch hat ganz wunderbar funktioniert und ich fand es toll, dass zur Abwechslung mal Übersetzer ihre Bücher vorstellen und somit das Bewusstsein dafür stärken, dass wir ein tolles Buch nicht nur dem Autor, sondern auch seiner deutschen Stimme zu verdanken haben.
Fotos und Text (c) Annegret Scholz, www.meinbuechertagebuch.wordpress.com