Von Fahrradreparaturen, Schulschiffen und einem Münchner Kindl in New York
Anfang Dezember war es wieder einmal soweit: das MÜF lud zur traditionellen Veranstaltung „Übersetzer persönlich“ ins Literaturhaus München und bat wie schon in den vergangenen Jahren drei Gäste aus den eigenen Reihen zum Gespräch.
Mehr als 140 Mitglieder zählt das Münchner Übersetzer-Forum inzwischen; über 140 Kolleginnen und Kollegen, deren mitunter verschlungene Lebenspfade und Werdegänge immer wieder für die eine oder andere Überraschung gut sind.
„Wer Luis Ruby nicht kennt, ist selber schuld!“
Den Auftakt machte Luis Ruby, der dem Gros der Anwesenden nicht nur als Übersetzer aus dem Spanischen, Italienischen und Portugiesischen sondern auch durch seine langjährige ehrenamtliche Tätigkeit als stellvertretender VDÜ-Vorsitzender bekannt sein dürfte.
HERZENSPROJEKTE UND EHRENÄMTER
Nach einem Herzensprojekt aus seiner mittlerweile umfangreichen Publikationsliste (Autoren wie Eduardo Halfon, Rafael Cardoso, Marco Malvaldi, um nur einige zu nennen) gefragt, erinnert sich Luis Ruby gerne an einen seiner ersten Titel: „Frauen, die alles wissen“ von Carlo Fruttero. Noch heute hält er die damalige Zusammenarbeit mit seinem Mentor Burkhart Kroeber, der ihm im Rahmen eines Bode-Stipendiums vom Deutschen Übersetzerfonds für dieses Projekt an die Seite gestellt wurde, für eine unschätzbar wertvolle Erfahrung und so ist es wohl kaum verwunderlich, dass er selbst in Kürze einer Nachwuchsübersetzerin als Mentor mit Rat und Tat zur Seite stehen wird.
„Warum bist Du, mit einer spanischen Mutter, beim Übersetzen bis heute stets dem Deutschen als ‚deiner‘ Zielsprache treu geblieben?“ „Ganz einfach, ich hab noch nie ein Fahrrad auf Spanisch repariert!“
Allerdings verbrachte er, erzählt Luis, von klein auf unzählige Sommer in seiner zweiten Heimat Spanien bei Verwandten, wo er denn auch schon früh seine Liebe zur „Literatur“ entdeckte, waren seine Freunde doch allesamt begeisterte Leser der Comic-Serie „Mortadela y Filemón“, hierzulande bekannt als „Clever & Smart“. Nach seinem Studium der Hispanistik und VWL in Heidelberg, Salamanca und München musste er feststellen, dass seine berufliche Erfüllung weder in Sprachkursen für Spanisch und Deutsch noch in Aufgaben wie denen eines sogenannten Lesekindes bei C.H. Beck lag. Und so ergriff er die Gelegenheit beim Schopf, als ihm erstmals die Übersetzung dreier Unterhaltungsromane angeboten wurde. Endlich hatte er seine Bestimmung gefunden, weshalb er 2003 den Aufbaustudiengang Literarisches Übersetzen an der LMU absolvierte. Noch im gleichen Jahr erhielt er seine erste und bei Weitem nicht letzte Auszeichnung, den spanischen Übersetzerpreis für angehende Übersetzer. Seit mehreren Jahren gibt Luis sein Wissen als Lehrbeauftragter des Studiengangs Literarisches Übersetzen auch an den übersetzerischen Nachwuchs weiter.
Im kommenden Jahr wird Luis Ruby sich allerdings nach acht Jahren aus der aktiven Vorstandsarbeit beim VDÜ ausklinken, wenn auch „lachenden und einem weinenden Auge“, wie er sagt, denn er werde die kollegiale Zusammenarbeit sicherlich vermissen. Sein abschließendes Fazit nach vielen intensiven Jahren Ehrenamt: Es gibt noch viel zu tun!
SEEFAHRER MIT LIEBE ZUM ÜBERSETZEN
Das Übersetzen hat der zweite Gast des Abends für sich entdeckt, als er an der Uni wissenschaftliche Texte ins Englische übertrug. Seit Jan Schönherr im Jahr 2012 den Aufbaustudiengang Literarisches Übersetzen an der LMU erfolgreich abgeschlossen hat und schon kurz darauf den Bayerischen Kunstförderpreis in Empfang nehmen durfte, übersetzt er allerdings vorwiegend aus dem Englischen, Französischen und Italienischen ins Deutsche und kann inzwischen bereits eine ansehnliche Liste von deutschsprachigen Veröffentlichen vorweisen. Wie Luis engagiert auch er sich neben seiner Übersetzertätigkeit ehrenamtlich – als Mitglied des Organisationsteams für die Jahrestagung Wolfenbüttel.
„Ich hab‘ zwar auch noch nie ein Fahrrad auf Englisch repariert“…
Die Liebe zum Englischen liegt wohl in Jans Familie (mit einem Englischlehrer als Vater), Reisen und Auslandsaufenthalte (die Eltern betrieben ein gemeinsames Reisebüro) taten ihr Übrigens. Vielleicht infiziert vom Fernweh stand ihm nach der Schule der Sinn anfangs offensichtlich weniger nach Literarischem, sondern nach Abenteuer: Als Offiziersanwärter leistete er seinen Wehrdienst auf der Gorch Fock ab und war zwei Monate auf See. Nach dieser Erfahrung – Regina Rawlinson bringt es auf den Punkt: „Du musst unbedingt mal einen Seefahrerroman übersetzen, mit Tampen, Wanten und Piraten“ – entschloss er sich dann allerdings doch für eine etwas andere Laufbahn und studierte Philosophie, Politik und Soziologie in München und Poitiers. Seinen Plan, danach in Literaturwissenschaft zu promovieren, warf er letztendlich über Bord und war stattdessen ab 2009 als freier Übersetzer tätig. Zum literarischen Übersetzen fand er über das Aufbaustudium der LMU. Ob er diesen Weg heute nochmals einschlagen würde? Auf jeden Fall, meint Jan Schönherr, denn gerade dieser Abschluss war es, der ihn Verlagen gegenüber viel selbstbewusster auftreten ließ.
Und welches seiner Projekte ist ihm besonders ans Herz gewachsen? „Schwierige Frage, schließlich habe ich bisher fast nur interessante Bücher übersetzt. Aber natürlich haben „Angel Baby“ von Richard Lange und „Freedom’s Child“ von Jax Miller wegen der Auszeichnung des Bayrischen Kunstministeriums einen besonderen Stellenwert für mich.“ Von Regina zum Abschluss mit Blick auf den Nachwuchs um einen Tipp gebeten, wie man im Übersetzergeschäft Fuß fasst, empfiehlt Jan: Kontakte, Kontakte, Kontakte und niemals verzagen!
EIN MÜNCHNER KINDL IN NEW YORK
Als letzten Gast begrüßt Regina Rawlinson nicht nur einen MÜF-Neuzugang, sondern gleichzeitig das 140. Mitglied. Als „echtes Münchner Kindl“ verbrachte Christiane Clemm ihre ersten acht Lebensjahre in ihrer Geburtsstadt München, bevor ihr Vater die Leitung des damaligen Goethe-Hauses in New York übernahm und die Familie in die USA zu den Großeltern Kurt und Helen Wolff zog. Dem Gründer des Kurt Wolff Verlags war 1940 in letzter Minute die Emigration in die Staaten gelungen, wo er bald mit Pantheon Books erneut einen erfolgreichen Verlag leitete, der dem amerikanischen Publikum Meilensteine der Weltliteratur näherbrachte.
„Als Kind kamen mir bei den Großeltern morgens ab und an schon mal ’schrullige Alte‘ wie Günther Grass aus dem Gästezimmer entgegen“
Amüsant erzählt Christiane Clemm darüber, wie es war, in einer Familie aufzuwachsen, in der sich alle der Literatur verschrieben hatten. Es sei beileibe nicht Besonderes gewesen, wenn einem im Haus des Großvaters der eine oder andere berühmte Schriftsteller entgegenkam, Männer, die sie als Kind oftmals eher als „schrullige Alte“ denn literarische Koryphäen wahrnahm. Auch das unermüdliche Klappern der Schreibmaschine gehört zu einer der frühesten Kindheitserinnerungen von Christiane Clemm, wenn ihre Eltern Peter Stadelmayer und Maria Wolff über gemeinsamen Übersetzerprojekten wie dem 1955 erschienenen „Muscheln in meiner Hand“ von Anne Morrow Lindbergh saßen.
Als gemeinsamen Nenner mit Luis und Jan fällt Christiane Clemm vor allem die LMU ein: Seit 1979 ist sie am Institut für Anglistik als Lehrbeauftragte im Übersetzerstudiengang mit Themen wie „Literarisches Übersetzen aus den Commonwealth-Ländern“ aktiv und leitet heute im Masterstudiengang Literarisches Übersetzen einen Kurs für „Creative Writing“.
Buntes Finale
Der gelungene und kurzweilige Abend klang schließlich mit dem traditionellen Büchertausch an einem überreich gefüllten „Gabentisch“ aus, der einem die eindrucksvolle Bandbreite der Münchner Übersetzer vor Augen führt.
Stefanie Römer