15 Mai

Don’t Forget to Play …

von Stefanie Werner

Mit dieser liebevollen Erinnerung lud Literaturübersetzerin Beate Schäfer im Namen des Münchner Übersetzerforums kürzlich zu einem Workshop ein, der mich sofort anlachte. Zwar sind wir Spracharbeiter unentwegt mit den Worten und Silben zugange, aber es ist meist doch „Arbeit“, das Spielerisch-Leichte kommt mitunter zu kurz. Beate Schäfer, selbst literarische Übersetzerin, daher mit unserem Dilemma bestens vertraut, nahm uns als erfahrener Schreibcoach sanftmütig an die Hand und begleitete diesen Abend mit großer Sensibiliät.

Welches Tier ist dein Text?

Was die Dozentin dann in ihrem Handout „Impuls-Werkstatt“ nannte, hatte seinen Namen wahrlich verdient. Die Übungen, die sie mit rund zwanzig online zugeschalteten Übersetzerinnen des MÜF unternahm (sic: wir waren nur weiblich besetzt), führten uns auf Anhieb ins Reich der Fantasie. „Wenn unser Text, der gerade auf dem Schreibtisch liegt, ein Tier wäre, was hätten wir wohl vor uns?“

Spannend. Reizvoll. Nach kurzer Zeit, in denen die Köpfe zu rauchen begannen, kamen die ersten spontanen Antworten: mit den Antworten erklang manch erkenntnisgeplagter Seufzer („mein Text ist ein glitschiger Regenwurm“) und es entstanden Kreuzungen, die noch kein Biologe dokumentiert hat, Sprungschnecken zum Beispiel. Mir schoss sofort das Wort „Panther“ in den Kopf und tatsächlich beschäftigte mich dieses als warm-up gedachte Spielchen noch eine ganze Weile.

Freewriting: Let it all out

Das „Freewriting“ war mir als Übung ein Begriff, doch schon lange verstaubten die vor Jahren geschriebenen Seiten in meiner Schreibtischschublade. Erfrischend, wieder einmal neu anzusetzen. Und das Schöne: im Webinar ist man nicht allein. Wie eine Kollegin des MÜF treffend sagte: sie spüre diesen „Raum“, der ja virtuell ist, als echten, geschützten Ort, an dem man Vertrauen fasst und eine Atmosphäre entsteht, die wie in Präsenzseminaren wohltuend ermutigend und anregend ist. Wie wahr. Wie gut.

Elfchen: Lyrik für alle

Was ich nicht kannte, war das „Elfchen“. Und das hat mich wirklich verfolgt. Schon am nächsten Morgen wachte ich auf mit den nächsten elf, brav sortierten Worten vor Augen. Was das ist? Eine Art Kurzgedicht, elf Worte, in jeder Zeile eins mehr. Verdichtet, verknappt, pointiert. Bilder entstehen. Manchmal Wortgewalt. Assoziationen, die mit ganz wenig herausgekitzelt werden.

Kind
hüpf weiter
tob dich aus
ich halte dich im
Flug.

Das Ausprobieren von Figurenstimmen war am Ende die Königsdisziplin. So wie wir beim Übersetzen immer die Stimme unserer Figuren im (Hinter-)Kopf haben sollten, war diese Aufgabe naheliegend, aber nicht leicht. Wie treffend manche Kollegin eine Stimme entwarf, dass man sofort eine Person, eine Situation erkannte und bildlich vor Augen hatte, war großartig. Und bestätigte mich in meiner Überzeugung, dass man nicht übersetzen kann, wenn man nicht auch ein kleines bisschen das Schreibgen in sich trägt …

Stefanie Werner, bloggt auf ihrer eigenen Website: www.text-haus.de