17 Dez

Weihnachts-MÜF: Freude allerorten

Mit Strahlenkranz und Wichtelunterstützung

Seltsam schnell ist es vergangen, dieses schräge Jahr. Kaum hatten wir zweimal geblinzelt, war es auch schon wieder Zeit für eine unserer liebsten Traditionen: den alljährlichen Weihnachts-MÜF!

Regina Rawlinson

An einem Donnerstag im Dezember fanden wir uns also etwas wehmütig – da nun doch wieder digital –, aber dennoch gespannt und sehr zahlreich ein, um in gewohnt lockerer, unterhaltsamer Art ein paar der Unsrigen ein wenig genauer unter die Lup… pardon, in die Mitte zu nehmen. Die obligatorische anfängliche Nervosität unserer ehemaligen „großen Vorsitzenden“ Regina Rawlinson legte sich schnell (Strahlenkranz und geballte Wichtelunterstützung mögen ihren Anteil daran gehabt haben), und auch als einfaches „kleines Mitglied“ fragte sie unsere Ehrengäste bald nach Herzenslust aus.

Sprach- und Trampilot in Zürich

Den Anfang machte Richard Barth, unser nach Zürich ausgewandertes Mitglied, das uns mit einem herzlichen „Gueten Abig mitenand!“ begrüßte. Und schnell wurde klar, dass Corona manchmal (aber nur manchmal) vielleicht auch sein Gutes hat. Die deutsch-deutschen Verständigungsschwierigkeiten im Nachbarland sorgten für amüsiertes Schmunzeln, für die heimlichen Sprachwissenschaftler und Sozialanthropologen unter uns war der eine oder andere Leckerbissen dabei: der tägliche Kampf gegen den Sprachswitch-Reflex der Schweizer; Helvetismen, die sich heimlich in die eigene Übersetzung einschleichen; der Prof, der vielleicht mehr Berndeutsch schwätzt als der Bauarbeiter aus Graubünden, aber – ganz im Gegensatz zu seinem deutschen Pendant – keinen sozialen Unterschied im Sprachgebrauch zeigt. Könnte man sich vielleicht mal eine Scheibe abschneiden hierzulande.

Richard Barth

Richards Werdegang hat so einige Schleifen und Umwege genommen: vom Gymnasiallehrer mit „zu kurzer Lunte“ wieder zurück auf die Schulbank, ins Praktikum, als Stadtführer auf den Straßen Münchens unterwegs, im Kollektiv für ein Übersetzungsbüro tätig und dadurch den ersten kleinen Zeh in die Drehtür der Verlage geschoben – so kann’s gehn. Von da an besserte sich nicht nur die Bezahlung, gleichzeitig trat auch die Familie mehr in den Vordergrund. Heute scheint Richard ein gesundes Gleichgewicht zwischen Beruf, Berufung und Familie gefunden zu haben. Der Stadt hat er dennoch nicht ganz den Rücken kehren können – zwar führt er keine neugierigen Touristen mehr herum, bringt dafür jedoch müde Angestellte mit der Tram sicher nach Hause. Er geht dahin, wo er gebraucht wird.

Im Zickzack an die  Küste: Über Kyoto nach Rotterdam

Aus den Bergen an die Küste ging es mit unserem nächsten Ehrengast. Auch Matthias Müller ist ein Jack of all Trades, der uns über eine Gemeinschaftsübersetzung vor Jahren mal „zugelaufen“ ist – trotz unserer „regelrecht rührenden“ Abschreckungsversuche. Für ihn ist Sprache der rote Faden in seinem „recht zickzackigen Leben“ (die kindliche Begeisterung für Karl May scheint hier immer mal wieder ins Kraut geschossen zu sein). Mit Englisch als zweiter Muttersprache lag das Japanologie-Studium in Kyoto natürlich nahe … als sich herausstellte, dass es zum Dolmetscher dann doch nicht ganz reicht, folgte Matthias seinem Impuls aus Kindertagen und wandte sich dem Übersetzen zu, zunächst für kleine Verlage in Berlin, daneben aber auch als Untertitler. Die kreativen Variationen von „JR, was hast du wieder gemacht!“ gingen ihm irgendwann ein wenig aus, und so machte er sich kurzerhand auf der Buchmesse auf die Jagd nach Kontakten im Belletristikbereich – und fand „die Lektorin, die Übersetzer liebt“.

Matthias Müller

Einige Jahre konnte diese Arbeit ihn fesseln, doch abwandernde Autoren und immer magerere Bezahlung führten ihn schließlich zunehmend in den Wissenschaftssektor, zu so unterschiedlichen Themenbereichen wie internationaler Finanzgeografie und der Geschichte des Tango. Das kam seiner zweiten großen Leidenschaft, der Musik, sehr entgegen, der er privat wie beruflich nachgeht. Neues auszuprobieren ist und bleibt Matthias‘ Steckenpferd. So hat er sich kürzlich einen langgehegten Traum erfüllt und die Ausbildung zum Gerichtsdolmetscher durchlaufen, engagiert sich daneben ehrenamtlich für ein Tierrettungszentrum, lernt Arabisch und Koreanisch (kann man je genug Fremdsprachen beherrschen?) und widmet sich der Kalligrafie. Der Kontakt zur Übersetzercommunity war zwischenzeitlich etwas ausgefasert, doch wir sind sicher, dass wir Matthias auch aus der Ferne wieder mehr in unsere Mitte holen können!

Sprach- und Kulturbotschafterin in Rom

Mit diesem schönen Gedanken im Kopf flogen wir flugs einmal quer über den Kontinent gen Süden, um Maja Pflug, die Dritte im Bunde unserer Sendboten im Ausland, zu begrüßen. Sie ist ein echtes MÜF-Urgestein – und uns bis heute treu geblieben. Bereits als Jugendliche hat sie ihr Herz an ein Land und seine Sprache verloren. Als Sprach- und Kulturbotschafterin vermittelt sie seitdem ihre Begeisterung für das Italien von gestern, heute und morgen.

Maja Pflug

Auch ihr Weg dahin blieb nicht ganz ohne Mühen, doch sie hat sich gegen alle Widerstände durchgesetzt, viel Zeit mit Land und Leuten verbracht, sich mit einem Au-pair-Aufenthalt in Großbritannien sogar selbst auf die Probe gestellt, indes: Nichts half, Italienisch musste es sein. So entschloss sie sich schließlich, „diesen Identitätskonflikt zu überwinden und meine beiden Teile zusammenzubringen“, indem aus der Leserin Maja eine Übersetzerin wurde. Zunächst, wie so viele, vor Gericht, denn leisten muss man sich seine Leidenschaft ja auch können, doch sobald die ersten Kontakte mit Verlagen Früchte trugen, widmete sie sich mit ganzer Seele ihrem liebsten Hobby. Das Ergebnis kann sich sehen lassen! Trotz „unzählig vieler Preise“, darunter der deutsch-italienische Übersetzungspreis für ihr Lebenswerk, ist sie boden-ständig und bescheiden geblieben und lebt ihr Motto: „übersetzen, was man liebt“. Noch heute, viele Jahre und unzählige Romane später, gehört es zu ihren liebsten Beschäftigungen, sich spontan irgendwo in ihrer Wahlheimat Rom auf eine Bank zu setzen und den Leuten zuzuhören, denn: Sprache in all ihrer Bandbreite ist „unglaublich spannend“!

Dieser Blogbeitrag wurde Ihnen präsentiert von:

Susanne Döllner