29 Jun

Rebekka 2022 – Preisverleihung an Maike Dörries

Die „Rebekka“ – der Preis für Übersetzer*innen, die seit Langem gut, beharrlich und oft schlecht bezahlt Bücher in den Bereichen Unterhaltungsroman, Krimi, Science-Fiction und Kinder- und Jugendliteratur ins Deutsche übertragen – wurde zum zweiten Mal vergeben, und zum zweiten Mal nicht wie geplant im Rahmen der Leipziger Buchmesse. Stattdessen fand der Freundeskreis zur Förderung von literarischen und wissenschaftlichen Übersetzungen, der den diesjährig mit 6.000 € dotierten Preis vergibt und der von anyonymen Spender*innen finanziert wird, beim Münchner Übersetzer-Forum „Unterschlupf“.

Doppelte Begrüßung

So eröffnete den Abend im Literaturhaus München denn auch seine 1. Vorsitzende Tanja Handels, die die auswärtigen Gäste in München willkommen hieß. Nach einer kurzen Begrüßung durch Karen Nölle als 1. Vorsitzende des Freundeskreises, die sich – auch im Namen der Spender*innen – höchst erfreut über die Entscheidung der Jury für Maike Dörries zeigte, hielt deren langjähriger Kollege und guter Freund Günther Frauenlob seine Laudatio. Dieser ist genau wie Maike Dörries, die aus dem Schwedischen, Norwegischen und Dänischen übersetzt und als Literatur-Scout tätig ist, auf die skandinavischen Sprachen spezialisiert. Beide übersetzen auch regelmäßig im Team. Offenbar so gut aufeinander „eingeswingt“, dass sie hinterher teilweise nicht einmal mehr sagen könnten, welche Passage aus wessen Feder stammt.

Frauenlob dankt fürs  „Frauenlob“

In seiner Rede – die Preisträgerin bedankte sich hinterher für das „Frauenlob“ – würdigte er die große stilistische und inhaltliche Bandbreite, die seine Kollegin zu bedienen weiß und las beispielhaft aus einer heiteren Szene ihrer Übersetzung von „Petersson und Findus“ des schwedischen Aurors Sven Nordqvist vor, nur um daraufhin aus „Schamlos“ von Sofia N. Srour vorzulesen – einem Buch, das das Leben als junge Muslima in Norwegen thematisiert, zwischen einengenden familiären Traditionen und der modernen Gesellschaft. Dann waltete Karen Nölle ihres Amtes und überreichte der Preisträgerin ihre Urkunde sowie, statt Blumen, zwei gerahmte Kunstwerke von Friederike von Criegern: jeweils eine Seite aus Maike Dörries‘ übersetzten Lieblingsbüchern, thematisch passend bemalt. Maike Dörries ergriff anschließend das Wort und bedankte sich für diesen Preis, der sie laut Jury als „ungewöhnlich produktive, kreative und vielseitige“ Übersetzerin auszeichne.

Ostfriesische Deern, in Schweden verliebt

„Fast ein bisschen zu viel des Lobes für so eine ostfriesische Deern wie mich“, scherzte Maike Dörries beschwingt und gab zu, dennoch ein wenig stolz und ziemlich aufgeregt zu sein. Das merkte man ihr jedoch nicht an, als sie danach im Gespräch mit ihrer – ebenfalls aus skandinavischen Sprachen übersetzenden – Kollegin Regine Elsässer über ihre übersetzerische Laufbahn berichtete. Die begann nach dem Skandinavistik-Studium mit einer Anstellung als Lektorin im Anrich-Verlag/Beltz, wo sie Kontakte in die Buchbranche knüpfte und einen ersten Übersetzungsauftrag ergatterte. Rund 300 Titel hat Maike Dörries inzwischen bereits übersetzt, vorwiegend Belletristik, Kinder- und Jugendliteratur und Krimis.

Zuhause fühlt sich Maike Dörries im Schwedischen, das ihr durch Familienurlaube in ihrer Kindheit früh vertraut war und das sie später erlernte, aber auch das Norwegische und Dänische beherrscht sie so gut, dass sie problemlos daraus übersetzen kann. Ob sie ein Lieblingsprojekt habe, wurde die Preisträgerin gefragt. Da gäbe es schon eins, verriet sie, und zwar ein Buch des Norwegers Endre Lunds Eriksen namens „Den sommeren pappa ble homo“ (wörtlich: Der Sommer, in dem Papa schwul wurde“). Im Gästebuch, das auf der Toilette eines Cafés auf Gotland auslag, entdeckte Maike Dörries den Eintrag zweier Mädchen, der Sommer auf Gotland sei super gewesen, „dumm nur, dass unsere Papas schwul geworden sind“. Wenn das kein Stoff für ein Kinderbuch ist, dachte sie sich und schrieb dem norwegischen Autor, von dem sie bereits einige Bücher übersetzt hatte und der genau der Richtige dafür schien.

Dieser griff Maikes Vorschlag tatsächlich begeistert auf und verfasste daraufhin eben jenes Buch, das in Deutschland unter dem abgewandelten Titel „Der Sommer, in dem alle durchdrehten (außer mir)“ erschien. In der Übersetzung von Maike Dörries. „Dass ein Autor auf die Idee einer Übersetzerin hin ein Buch schreibt, das habe ich außer bei dir noch nie gehört“, staunte Regine Elsässer und stellte eine letzte Frage, nämlich, was Maike mit dem Preisgeld von 6.000 € vorhabe. „Wahrscheinlich irgendwas mit Bewegung, mit Reisen“, antwortete diese.

Skål!

Ein nachvollziehbarer Wunsch bei einem Beruf, in dem man sich vom heimischen Schreibtisch aus in ferne Länder und Kulturen denkt, schreibt und träumt, aber allzu oft vor lauter Arbeit nicht dazu kommt, rauszugehen oder zu reisen. Bewegung kam dann auch in den Saal, als im Anschluss an das Podiumsgespräch der Sekt bereitstand, um anzustoßen. „Skål!“, ertönte es auf Schwedisch, „zum Wohl“. Und meinte damit die Übersetzerin ebenso wie diesen neu gestifteten Preis „Rebekka“, der endlich auch jene Übersetzer*innen würdigt, deren Bücher eher nicht von den Feuilletons rezensiert werden und die dennoch sprachprägend sind, weil sie das Gros dessen darstellen, was in diesem Land gelesen wird, wie Karen Nölle in ihrer Anfangsrede herausstellte. Petersson und Findus, Wicky und die starken Männer sowie Lasse und Maja würden dem sicher zustimmen.

Bericht & Fotos: Janine Malz